Aktuelles aus dem Rathaus

Einweihung Stolpersteine in Oberzeuzheim für Mitglieder der Familie Fritz

Feierliche „Enthüllung“ der Stolpersteine für Maria Fritz geb. Hahn und ihre Kinder Hildegard Fritz und Josef Wilhelm Fritz am Samstag, 18. September 2021, 14.00 Uhr, Siegener Straße 15 in Oberzeuzheim.

Nachdem die 4. Verlegung von Stolpersteinen in Hadamar im letzten Jahr aufgrund hoher Inzidenzzahlen kurzfristig abgesagt werden musste, hat sich der Bauhof der Stadt Hadamar freundlicher Weise bereit erklärt, die „Nachverlegung“ der Stolpersteine in Etappen durchzuführen.

Die erste feierliche „Enthüllung“ von drei Stolpersteinen erfolgt am Samstag, 18. September 2021 um 14.00 Uhr in der Siegener Straße 15 am ehemaligen Wohnhaus der Familie Fritz. Angehörige werden die Biografien von Maria Fritz geb. Hahn und ihren Kindern, Hildegard Fritz und Josef Wilhelm Fritz vortragen.

In der Lebensgeschichte der Familie Fritz laufen unterschiedlichste Verfolgungsmuster des NS-Systems zusammen: Zwei Kinder der Familie, Hildegard (geb. 1910) und Josef Wilhelm Fritz (geb. 1911) wurden zu Opfern der NS-„Rassenhygiene“. Vom damaligen ärztlichen Direktor der Anstalt Hadamar als  „erbkrank“ diffamiert, werden sie vor das Erbgesundheitsgericht Limburg unter Vorsitz des Amtsgerichtsrats Walter Dannhausen (später Landrat im Landkreis Limburg) vorgeladen. Das Gericht verfügt die Zwangssterilisation der Geschwister, die in den Jahren 1936 und 1939 jeweils im Städtischen Krankenhaus Auguste Victoria in Diez vorgenommen wird. Trotz Ausschöpfung sämtlicher juristischer Mittel gelang es den Eltern von Hildegard und Josef Wilhelm Fritz nicht, den Zwangseingriff zu verhindern. Auch die Intervention beim Erbgesundheitsobergericht (Frankfurt) blieb erfolglos.

Die repressive, vom Erbgesundheitsgericht Limburg beschlossene Maßnahme ist auch im Zusammenhang mit dem religiösen Bekenntnis der Familie zu sehen: Eltern und Kinder waren offen praktizierende Katholiken und wurden somit von Beginn an als „Systemgegner“ eingestuft. Ein gewisses Maß an protektiver Wirkung gegenüber dem „System“ entfaltete die Tätigkeit des Familienvaters Josef Fritz, der ein Ingenieurbüro unterhielt und eine Vielzahl von Aufträgen für die Stadt Hadamar aber auch die Kirchengemeinde Oberzeuzheim ausführte. Dennoch wurde Maria Fritz im Jahr 1942 von der Gestapo in Haft genommen und über das Frauen KZ Ravensbrück nach Auschwitz überführt: 

In den 30er Jahren hatte die 1881 in Niederzeuzheim geborene Maria Fritz erleben müssen, dass sie gegenüber den Beschlüssen der Erbgesundheitsgerichte keine Handhabe hatte und ihre Kinder einem  menschenverachtenden System ohnmächtig ausgeliefert waren. Aufgrund der Nähe zur Tötungsanstalt auf dem Mönchberg und dem Wissen um die dort begangenen Massenverbrechen war Maria Fritz weiterhin in großer Angst um ihre Kinder.  Sie betrieb eine Postagentur in der Siegener Straße in Oberzeuzheim. Diese Durchgangsstraße passierten die aus der „Zwischenanstalt“ Herborn kommenden „Gekrat“-Busse. Obwohl die Fenster der als „Postbusse“ getarnten Fahrzeuge uneinsehbar waren, wussten die Menschen in der Region, dass auf diese Weise Insassen von Heilanstalten in die Tötungsanstalt auf dem Mönchberg transportiert wurden.

Hildegard Fritz lebte im Haushalt ihrer Eltern wo sie unterstützend tätig war, sie übte keinen Beruf aus. Josef Wilhelm Fritz lebte mit einer Hörbehinderung und hatte trotz dieser Einschränkung einen höheren Schulabschluss am Gymnasium Hadamar erworben. Er war als Bauzeichner im Ingenieurbüro seines Vaters tätig.

In einem Brief an ihre in Hamburg lebende Tochter schrieb Maria Fritz im Jahr 1941 von ihrer Befürchtung, dass „nach erfolgter Tötung der Anstaltsinsassen weiter gegangen würde und alle nicht arbeitsfähigen Menschen beseitigt werden sollten.“

Der Inhalt dieser Korrespondenz wird bekannt. Der zu diesem Zeitpunkt in Hamburg lebende Schriftsteller Dr. Eugen Rugel denunziert Maria Fritz bei der dortigen Gestapo, woraufhin diese Mitteilung zur Gestapo-Zentrale nach Frankfurt/Main weitergegeben wird. Maria Fritz wird „wegen der Verbreitung von Gerüchten über Hadamar“ in Haft genommen und im Herbst 1942 in das Gerichtsgefängnis Frankfurt verbracht. Ohne Verfahren oder Gerichtsurteil wird sie im Frauen-KZ Ravensbrück inhaftiert und später über das KZ Lublin nach Auschwitz deportiert. Familienmitglieder, allen voran der Neffe von Maria Fritz, der in Oberzeuzheim geborene Priester und Domvikar Josef Will (1907-1984), der den Nationalsozialisten vielfach in Wort und Schrift die Stirn bot, konnten schließlich ihre Entlassung bewirken. Maria Fritz wird aus Auschwitz entlassen und kehrt Ende Juli 1944 zu ihrer Familie nach Oberzeuzheim zurück. Zu diesem Zeitpunkt wiegt sie gerade einmal 42 Kilo und hat sämtliche Haare verloren. Die psychischen und physischen Folgen der KZ-Haft haben Maria Fritz so sehr gezeichnet, dass sie über das Erlittene nie wieder sprechen wird. Auch ärztliche Bemühungen können ihr Leben nicht retten, sodass sie nach monatelangem Krankenlager im Juli 1945 an den Folgen der Haft stirbt.

Die Finanzierung der Stolpersteine für die Familie Fritz wurde vom Verein „Ehemaliger der Fürst-Johann-Ludwig-Schule“ übernommen. Josef Wilhelm Fritz war Schüler des „Alten Gymnasiums“ und damit der Vorgängerschule der heutigen Gesamtschule.

Gerne erbittet die Initiative Stolpersteine Hadamar Spenden für die weitere Verlegung  von Stolpersteinen auf das bei der Stadt Hadamar eingerichtete Spendenkonto. Spenden sind steuerabzugsfähig. Bitte Betreff „Stolpersteine Hadamar“ angeben.  Volksbank Rhein-Lahn-Limburg eG IBAN DE 56 5709 280 000 16769 118

Die feierliche Einweihung von 10 weiteren Stolpersteinen in der Kernstadt von Hadamar (geplant für Oktober 2021) wird rechtzeitig über die Tagespresse bekannt gegeben.

 

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen müssen die Namen und Adressen der Anwesenden aufgenommen werden. Es gelten die zu diesem Zeitpunkt gültigen Bestimmungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Das Mitführen von medizinischen Mund-Nase-Bedeckungen ist verpflichtend.

Martina Hartmann-Menz (Initiative Stolpersteine Hadamar) 10. September 2021