„Die Jugend verdient es ganzjährig beachtet zu werden“

Bürgermeister Ruoff informiert sich über derzeitige Lage der Jugendarbeit in Hadamar

Bild: Zeichnung einer Hadamarer Jugendlichen

Bild: Zeichnung einer Hadamarer Jugendlichen

Zu Beginn des neuen Jahres besuchte Bürgermeister Michael Ruoff die städtische Mitarbeiterin Nicola Bischof, um sich ein Bild von der derzeitigen Lage der Jugendarbeit in Hadamar zu machen. Im Rahmen des Gespräches ging es auch um die Rolle, die das Thema im derzeitigen Wahlkampf spielt und die Auswirkungen der aktuellen Corona-Einschränkungen auf die alltägliche Arbeit.

„Das, was Jugendliche vor allem benötigen, erfordert gar nicht immer die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel. Es geht vielmehr um Empathie, Verlässlichkeit und Vertrauen - auch in die Politik“ stellt Nicola Bischof, die seit fast zwei Jahren für die Stadt Hadamar den Bereich Soziales, Jugend und Familie verantwortet, eingangs des Gespräches klar. Gerade die jungen Menschen hätten teils schwer mit dem veränderten, eingeschränkten sozialen Leben unter Corona zu kämpfen. Umso wichtiger sei es, nicht nur Verhalten und Reaktionen von Jugendlichen zum Gegenstand politischer Diskussionen zu machen, sondern auch deren Bedürfnisse in den Fokus zu nehmen.

Ein bedürfnisorientierter Aufenthaltsort für junge Leute sei der offene Jugendtreff in den Räumen des städtischen Familienzentrums, der vor dem Inkrafttreten der jüngsten Verordnungen täglich von rund 20 Jugendlichen besucht wurde. Das Haus steht zwar nach wie vor offen und wird auch weiterhin von der Zielgruppe frequentiert, die Einhaltung der aktuell geltenden Regeln gestalte sich jedoch sowohl für die Jugendlichen als auch für die Jugendpflegerin mehr als herausfordernd.

So könne derzeit immer nur einer Person Zutritt gewährt werden, auch wenn regelmäßig Gruppen junger Leute um Einlass bäten und auf „Ausnahmen“ hofften, die nicht gewährt werden können. Sie wüssten nicht wohin, wenn es draußen kalt ist und auch zuhause Treffen nicht erlaubt sind. „Sie beschreiben ein ungewohntes, fremdes Gefühl und nehmen die Menschen um sich herum zurückhaltender wahr,“ so Bischof. Schule sei, so die Jugendlichen, durch Homeschooling viel anstrengender und die Eltern genervt, wenn alle Geschwister zu Hause sind und dort kein WLAN vorhanden ist. „Die Regierung hat unsere Seele in der Hand“, äußert eine 16-Jährige, die viel Zeit mit sich alleine und ihrem Smartphone verbringt. In der Musik, Kunst, Poesie und bei ihren Tieren findet sie den Halt, den sie innerhalb der Familie nicht erfährt und nach dem auch andere vergeblich suchen. Corona mache sie „psychisch fertig“.

„Ich sehe natürlich die Notwendigkeit der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, auf der anderen Seite jedoch auch die Not dieser jungen Menschen,“ erklärt Bischof. Dass gerade in dieser schweren Zeit Sozialkontakte außerhalb des Smartphones für Jugendliche wichtig sind, sieht auch Bürgermeister Ruoff: „Ich bin sehr dankbar, dass die städtische Jugendpflege versucht abzufangen, was möglich ist“.

Umso wichtiger sei ein „kontinuierliches, ernstgemeintes Interesse an den Jugendlichen und ihrer derzeitigen Gefühlslage, die sie oft nonverbal ausdrücken, weil ihnen genauso wie uns Erwachsenen, dazu oft die Worte fehlen“, führt Bischof weiter aus. Dass auch das Thema Jugendarbeit im derzeitigen Wahlkampf heiß diskutiert wird, verfolge sie mit gemischten Gefühlen: „Es ist gut, dass sich viele Parteien und Wählerinitiativen um die Jugend der Stadt Gedanken machen, aber auch irritierend, wenn die Jugendlichen und ich als direkte Bezugsperson aus der Zeitung erfahren, was die Jugendarbeit in Hadamar benötigt“.  Dies sei vielmehr von vielen Faktoren abhängig und könne gerade in der aktuell schwierigen Zeit nicht pauschal beantwortet werden. „Jugendarbeit ist kein Projekt, sondern eine Haltung,“ so Bischof weiter. „Die Jugend verdient es ganzjährig beachtet zu werden und nicht nur im Fünf-Jahres-Rhythmus oder vor strittigen Haushaltsdebatten. Jugendarbeit darf nicht zu einem Politikum werden“.

Bürgermeister Michael Ruoff versucht derweil aus der Situation Hoffnung zu schöpfen: „Wenn wir sehen, in wie vielen Wahlprogrammen und politischen Statements die Jugend in Hadamar und seinen Stadtteilen einen Platz findet und wie viele Parteien sowie Wählerinitiativen das Thema Jugendarbeit für sich entdeckt haben, sollten wir optimistisch sein, was den zukünftigen Stellenwert dieses Themas in der Politik angeht“.